Die Straße des Lebens

„Mama, der Fahrlehrer konnte es gar nicht glauben, dass nicht der Papa mit mir die ersten Fahrstunden macht“, sagte meine Tochter gerade zu mir. Wir sind auf der Straße des Lebens: L17. Konservatives Land Tirol; alte Rollenklischees; Diskriminierung der Kinder von Alleinerziehenden. „Geht’s noch?“, denk ich mir, während ich neben meiner Tochter im Auto sitze und sie stolz und konzentriert die ersten Kilometer ihres L17 Führerscheins fährt. Ich etwas verkrampft daneben. Gerade haben wir bei der Bezirkshauptmannschaft die Bescheide abgeholt, mit denen sie fahren darf.

Was noch alles?
Arbeit, Haushalt, zwei Teenager mit all ihren Sorgen, Nöten und emotionalen Befindlichkeiten und nun noch 3 x 1.000 km mit meiner Tochter fahren. Uff. Der Gedanke, wo ich bleibe, verdränge ich im Moment.

Glück und Belastung zugleich
Zumal sie als zweite Begleitperson ihren Vater ausgewählt hat. Aber er ist nicht da. Sie wünscht es sich, dass er da wäre und mit ihr fahren würde. Dass er sich die Zeit nehmen würde. Ich wünsche es ihr. Ich wünsche es mir. Es wird sich herausstellen, wieviel km er mit ihr dann am Ende fahren wird. Wieder befürchte ich, dass alles an mir hängen bleibt. Zum Wohle der Kinder.

… nach 500 km
Meine jüngere Tochter (14) giggelt vom Rücksitz. Wir sind ein Team, wie im Leben auch. Drei Mädels auf der Fahrt durchs Leben. Meine ältere Tochter (16) fährt und hat beim Berganfahren gerade ihren ersten Misserfolg erfahren. Tränen laufen ihr übers Gesicht. Sie ist mit meinem Auto ohne Hold on Funktion und ohne Berganfahrhilfe gestresst. Sie hat es mit stinkender Kupplung und quietschenden Reifen, jedoch großartig gemeistert. Und das im Land der Berge, wo die Straßen oft steil bergauf führen. Wo führt uns die Reise hin? Ich bin mir nicht immer sicher. Wird alles gut?

Es fühlt sich nicht immer so an
Ich fühle mich wie auf einem Dreirad mit zu viel Gepäck auf meinen Schultern. Die Verantwortung für zwei heranwachsende Jugendliche, meine Selbstständigkeit, das Haus, der Garten und so fort. Nur nicht ans Taumeln und Wanken denken. Fokussiert bleiben. Versuchen die Leichtigkeit zu wahren.

Denn Verkrampfen führt zu nichts und trotzdem schleicht sie sich heimtückisch auf meiner Einrad-Reise in mein Leben, in meine Schultern, in mein Sein. Wie gern würde ich auch mal etwas abgeben. Nicht immer die Starke sein müssen. Mal genießen, den Rücken frei zu haben. Und nicht die ganze Verantwortung für drei Menschen zu tragen.

Kann es sein, dass diese L17-Zeit zu einer guten Zeit und zu guten Erinnerungen für uns alle 3 wird?

Im Allgemeinen verbringen meine Teenie-Damen oft viel Zeit in ihren Zimmern. Heute sind wir aufgebrochen, raus aus unserer aller Komfortzone und zu unserer Übungsfahrt, um Kilometer und Erfahrungen zu sammeln. Die ersten Kilometer des L17 Führerscheins waren nicht gerade entspannend für mich. Zumal man kein Bremspedal hat und ehrlich gesagt: Man braucht Schutzengel. Wir brauchen Schutzengel.

Sie macht das toll und doch sind brenzlige Situationen dabei, in denen ich merke, wie ich die Luft anhalte. Ich sage mir selbst: “Nicht vergessen auszuatmen!“ Heute fahren wir zu dritt. Ich bin als Mama das Vorbild für meine 16-jährige, meine 16-jährige ist das Vorbild für meine 14-jährige. Was bleibt fürs Leben? Für uns alle?

Starke Frauen? Oder Frauen, die zu stark sein müssen?
Keiner kann es heute beantworten, aber wir bleiben auf der Straße des Lebens und hoffen, dass sich auf dieser Straße positive Spuren einprägen. Das es gut ist und wird.

Als wir gemeinsam nach 50 gefahrenen Kilometern beim Bäcker unser wohlverdientes Frühstück genießen, macht sich Aufbruchstimmung breit: Zukunftsideen, Ideen für andere Ziele. Zum Fahren, im Leben.

Und ich muss an die Worte eines weisen Mannes denken, der gesagt hat: „Der Weg erscheint, während man ihn geht.“ Wohin er führt, wissen wir nicht, aber es bleibt der Gedanke, es könnte gut sein. Gut für uns alle. Eine schöne Zeit und Erinnerung, die bleibt und in der wir gut in Beziehung sind, wir drei.

Eure
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