Wenn nur eine gerichtliche Lösung bleibt
Als alle Versuche für eine Zusammenbleiben als Familie scheitern, war klar: Jetzt entscheiden andere über unser Leben. Ich wollte genau das immer vermeiden. Ich fand, niemand sollte darüber bestimmen, was mit mir und meiner Tochter passiert. Aber dann saß ich plötzlich auf dem Beifahrersitz meines eigenen Lebens. Keine Kontrolle. Keine Sicherheit. Nur die Hoffnung, dass alles gut ausgeht.
Eine verfahrene Situation
Und zwar so, dass das Gericht und die Familiengerichtshilfe tätig werden mussten. Ab diesem Zeitpunkt begann sich das Gedankenkarussell zu drehen und mit jedem kommenden Termin Fahrt aufzunehmen. Nicht die Termine an sich haben mich ausgelaugt, sondern die Zeit dazwischen. Ich machte mir ständig Gedanken und rechnete mit dem Schlimmsten. Trotz meines unerschütterlichen Optimismus ließen sich die Sorgen nicht ganz wegdrücken.
Meine Tochter reagierte genervt auf die vielen Termine und „Gespräche“, war aber entschlossen und klar. Sie wollte nicht immer wieder dieselbe Geschichte erzählen. Sie wollte einfach ihre Ruhe. „Mach dir keine Sorgen Papa! Was soll da noch passieren!?“, versuchte SIE mich immer wieder zu beruhigen.
Und meine Tochter behielt Recht. Am Ende ging alles so aus, wie wir es uns erhofft hatten. Meine Kleine schien nicht sonderlich überrascht vom Ausgang … und trotzdem verdrückten wir zusammen ein paar Tränen der Erleichterung nach dem Abschluss! Nach vielen nervenaufreibenden Monaten konnte nun endlich langsam Ruhe und Frieden einkehren.
Mein Zugang zur Familiengerichtshilfe
Natürlich hatte ich vorher im Netz recherchiert. Vor allem zur Familiengerichtshilfe. Im Rückblick: Es hat mich eher verunsichert als geholfen. Viele Berichte waren negativ, zum Teil ganze Webseiten voller Enttäuschung, Bitterkeit und Anschuldigungen in jede Richtung. Ich habe das bewusst nur begrenzt zugelassen und wollte konstruktiv bleiben, nicht zynisch. Im Endeffekt liegt es in der Natur der Sache: Wenn eine Seite zufrieden ist, ist die andere es oft nicht.
Eigentlich könnte ich zu jener Hälfte gehören, die zufrieden ist. Trotzdem stellt sich bei mir bis heute kein Gefühl der Befriedigung ein?! Warum eigentlich? Das liegt wohl in meiner Natur. Ich habe keinen Sieg zu verzeichnen – ich kann das nicht feiern! Keine Seite hat hier irgendwas gewonnen! Eine Familie wurde zerrissen. Vertrauen wurde zerstört. Zeit, Geld, Nerven und ein Stück Kindheit gingen unwiederbringlich verloren.
Wie ich das durchgestanden habe?
Selbstbeherrschung
Am Anfang sitzen sich beide Streitparteien gegenüber. Jeder neben sich einen imaginären Mistkübel gefüllt mit Vorwürfen, Fehlern, teilweise schmutzigen Geschichten und sonstigen Dingen, die sich über die Jahre einer Beziehung so ansammeln! Es gibt angenehmere Dinge als den ausgeleerten Mistkübel vor sich liegen zu sehen und beim Aufräumen helfen zu müssen. Aber irgendwann sind alle Fragen beantwortet, der Boden ist wieder sauber und der Kübel des „Gegners“ leer. Ich ließ meinen „Mistkübel“ stehen – mit Deckel drauf! Und zwar aus zwei Gründen: Erstens mögen es Gerichte sauber. Und zweitens, wenn meine Tochter irgendwann alt genug ist und sich dafür interessiert, soll sie im Gerichtsakt nichts von mir lesen, was ihr Bild über mich ändern würde.
„Nicht mein Zirkus – nicht meine Affen!“
Natürlich wünscht man sich den perfekten Zustand. Gemeinsam auf einer Linie auch nach der Trennung als Mama und Papa die Erziehungsaufgaben wahrzunehmen und Patchwork zu leben. Grundvoraussetzung ist jedoch, dass sich ausnahmslos alle konstruktiv beteiligen. Aber schon während der Beziehung waren wir uns uneins in pädagogischen Dingen. Nach der Trennung war es noch viel schwieriger zu akzeptieren, weniger Einfluss zu haben. Der obige Satz hat mir geholfen. Nicht als Ausrede, sondern als Grenze: „Dort, wo ich Verantwortung habe, gebe ich mein Bestes. Dort, wo ich keine Verantwortung habe, lasse ich los.“ Plötzlich hatte das Ganze ein positives Etikett bekommen! FREIHEIT! In meiner Wohnung, im Alltag und vor allem auch in der Erziehung.
Befindlichkeiten ausblenden
Jede wichtige Entscheidung durfte ich nicht nur für mich allein treffen, sondern auch immer für meine Tochter. Manchmal bedeutet das, den Wunsch nach Gerechtigkeit zu schlucken. Nicht weil man schwach ist, sondern weil das Kind sonst tragen müsste, was nicht seins ist. Jeder Tag, an dem so ein Streit/Verfahren früher endet ist ein gewonnener Tag Kindheit!
Hass versus Liebe
Hass ist ein nach innen gerichtetes Gefühl. Dein „Gegner“ merkt davon überhaupt nichts! Ganz egal wie sehr du ihn/sie hasst! Ich habe mich entschieden keinen Hass zu empfinden. Stattdessen habe ich meine Energie darauf verwendet, meiner Tochter alle Liebe und Zuwendung zukommen zu lassen, wie ich konnte. Das Schöne daran ist, Liebe vermehrt sich – umso mehr man davon gibt!
An dich, wenn du dich gerade in so einem Prozess befinden: Kopf hoch. Das wird schon. Und für alle anderen: Liebe ist immer die Lösung.
Jeronimo



