Es geht mir gut

Die Frage „Wie geht es dir?“ hat es in sich. Und zwar richtig. Ist dir das auch schon aufgefallen? Mal antwortest du stark und selbstbewusst. Am anderen Tag könntest du bei der Frage einfach nur losheulen. Es hat nicht nur damit zu tun, welche Verfassung du gerade hast. Es hat auch damit zu tun, wer fragt und wie. Ja, die Frage „Wie geht es dir?“ hat es wirklich in sich.

Ein mutiger Bekannter
Er drückt mir und seiner Frau einen Glühwein in die Hand und stellt sich neben uns. Wir sind beim Kindergartenfest und sehen unseren Kindern beim Spielen zu. Ich kenne die zwei. Sie von früher und ihn über Bekannte. Die Welt ist klein. Er ist mutig und traut sich zu fragen: „Wie geht es dir?“ Ich bin in guter Stimmung und antworte: „Mir geht es sehr gut. Wirklich. Mir geht es seit dem Sommer richtig gut.“ Er sieht mich ungläubig an. „Wie, es geht dir gut? Wirklich?“ Ich antworte nochmals überzeugt: „Ja, es geht mir wirklich gut.“ Er runzelt die Stirn, ist sichtlich irritiert und fragt nochmal nach: „Ja, wie jetzt? So ohne ihn. Ganz alleine mit den Kindern?“.

Ich hole aus und erzähle, dass es leichter ist, über jemanden hinweg zu kommen, der dich schlecht behandelt und nicht mehr will, als über jemanden hinwegzukommen, der dich warm hält. Das hilft abzuschließen und sich auf das Neue zu konzentrieren. Denn die „Wir-kommen-vielleicht-wieder-zusammen“-Wolke lässt keinen Himmel durch und bleibt hängen. Ein Gewitter hingegen ist heftig, ladet ab, zieht vorbei und dann kommt die Sonne. Was für eine Metapher, denke ich und verdreh innerlich die Augen. „Ja, es geht mir gut.“ sage ich nochmal, bevor es noch weitere tiefgründige Erklärungen regnet.

Im Mitleidsnebel
Ich glaube, er wollte mich und sich nicht in Bedrängnis bringen und sein Interesse hat mich ehrlich gefreut. Ich mag Menschen sehr, die fragen, wie es einem geht, ohne Angst vor der ehrlichen Antwort zu haben. Aber warum geht er davon aus, dass es mir nicht gut gehen kann oder darf? Muss man mit mir Mitleid haben, weil ich alleinerziehend bin? Seit ich getrennt bin, fragen nicht mehr viele Menschen wie es mir geht. Vielen Menschen fehlt der Mut, die Antwort auszuhalten. Sie haben Angst, dass ich zu weinen beginne, jammere oder schimpfe. Darum lassen sie es und reden mit mir über das Wetter am Wochenende. Das passt schon. Denn manchmal fehlt mir auch der Mut zu antworten. Dann murmle ich etwas von: Die Wolken ziehen weiter. Es soll Sonne geben.

Vorurteile und Schubladen-denken
Ehrlicherweise stoße ich immer wieder darauf. Auf den einen Blick, der sich senkt, wenn das Thema Alleinerziehend zur Sprache kommt. Und dann die Kommentare: Das leise ‚Dann hast du es aber auch nicht leicht‘. Das unsichere ‚Auweh, das habe ich nicht gewusst’. Das fordernde ‚Wie machst du das?‘. Oder ganz schlimm: ‚Die armen Kinder.‘

Die Frage, wie es mir geht, hält sich definitiv in Grenzen. Und nein. Alleinerziehend zu sein ist nicht bemitleidenswert. Schicksalsschläge, die sind bemitleidenswert. Wenn dir jemand weg stirbt. Wenn du arbeitslos wirst. Wenn dein Haus abbrennt. Aber Schicksalsschläge treffen Menschen und nicht den Status. Die Familienform Alleinerziehend ist ein Status und der ist durchaus lebenswert. Absolut. Mal aus meiner Sicht.

Und versteh mich jetzt nicht falsch: Ich wäre gerne noch eine Familie mit Mama und Papa. Ich hätte gerne den Vater der Kinder im Alltag. Ich hätte auch gerne eine Villa in Südfrankreich. Aber Hätte-Hätte-Fahrradkette. Alles auf vier Schultern zu tragen macht zwar vieles einfacher. Wenn du aber vier Schultern haben musst, um alles zu tragen, dann ist es Zeit, für dich selbst zu sorgen. Dann ist es Zeit, zwei Schultern wieder abzugeben. Wertvoller für die Kinder ist der Status „Glücklich getrennt“ und nicht „Unglücklich beieinander“.

Status: Alleinerziehend
Nein, liebe Mit-Alleinerziehende-Superheldin. Wir müssen uns nicht verstecken. Wir dürfen mutig zu unserer Familienform stehen. Das ist nicht bemitleidenswert. Da kann man getrost mit hoch erhobenem Kopf sagen: „Es geht mir gut“ – ohne Erklärung und ohne Wenn-und-Aber. Auch mit dreckigem Hals und auch, wenn es mir da gerade rein regnet. Es ist nur ein Status und wie das Wetter, kann sich der ändern. Oder?

Weil wir Mamas alles schaffen.
Deine Sandra

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