Einsamkeit…

„Endlich mal wieder mit meiner Freundin einen Kaffee trinken“. Ma, wie ich mich gefreut habe.

Es war schon lange her und ich wusste, ich hatte nur eine Stunde Zeit. Aber egal, ich nehme was sich ausgeht. Natürlich hatte auch sie sich schon darüber geäußert, dass ich kaum mehr Zeit habe. Und sie hat Recht… ich arbeite ganztags und die neue Schule von Olaf gestaltet sich herausfordernder als ich mir je hätte träumen lassen (und meine Träume waren schon schlimm …).

Die Konsequenzen der letzten zwei Corona-Jahre hinterlassen ihre Spuren, und die Versprechungen von den vielen Wissenden: „Es geht allen Kindern gleich, alle sind auf dem gleichen Stand. In der neuen Schule wird darauf Rücksicht genommen“, haben sich nicht erfüllt.

Somit sitzen wir täglich abends noch an nicht verstandenen Hausaufgaben, wir lernen auf die nächste Schularbeit oder versuchen den gewünschten Wissensstand auf gefordertes Niveau zu bringen – das ist Schule??? Wohl eher „unser Leben im Escape Room …“. Auch für Olaf ist alles neu, und ich könnte schwören, ihm wächst die Nabelschnur nach. Olafs Vereinsleben läuft auf Hochtouren und als Elternteil habe natürlich auch ich diverse Verpflichtungen.

Dann wäre da noch der 150 m²-Haushalt (keine Sorge, ich bin nicht übergeschnappt…), meine zu versorgende Mama, diverse Termine, etc. – ihr kennt das. Abends nach der Arbeit zivilisierte Gespräche mit mir führen zu wollen, scheint, wenn ich ehrlich bin, meist nicht wirklich sinnbringend zu sein.

Meine Freundin hat den gleichen, für manche etwas schwer ertragbaren Humor und es tut gut, sich über mütterliche Rachegelüste und sinnlose Kindergeschichten zu amüsieren oder auch einfach mal das Leben in sarkastischen Tiefen zu erläutern. Aber dann plötzlich – dieser eine Satz von ihr – und ich merke, was ich die letzten Wochen so sehr verdrängt habe. Einfach weil kein Platz, keine Zeit, und vielleicht auch keine Kraft dafür da war. Aber jetzt war sie wieder da, diese eine Einsamkeit – dieses allein mit allem zu sein…

Sie ist mir die beste Freundin, die man sich vorstellen kann, nicht weil sie mir stundenlang beim Jammern zuhört, sondern genau deshalb, weil sie vier Kinder und einen Mann hat, und es mir auch gut tut zu sehen, dass auch „vollständige“ Familien Sorgen und Probleme haben. Sie hört mir zu und gibt mir keine, von mir so verhassten und ungefragten, Tipps.

Ihr Mann hatte einen wichtigen Termin vergessen und natürlich ärgerte sie sich unheimlich darüber: „Hildegard, schau, es hat schon auch viel Positives, wenn du allein bist, da kann das nicht passieren. Du musst keinen betteln, damit er was macht.“

Automatisch kam lächelnd meine inzwischen verinnerlichte Standard-Antwort: „Das glaub ich dir, bin ich froh, dass ich das nicht habe.“ Aber diesmal kam es innerlich über mich. Natürlich habe ich das nicht, weil ja nur ich da bin, die die Termine vergisst und ich bin es, die sich dauernd in Erinnerung bringen muss, was noch zu machen ist. EINFACH WEIL SEIT OLAFS GEBURT NIEMAND DA IST.

Mit schlechtem Gewissen über meine Gedankengänge und dem inneren Gefühlschaos, gehe ich mit Olaf heim, mache ihm was zu essen, frage ihn sämtliche Vokabeln ab, bespreche noch Schulprobleme und warte, bis es endlich Schlafenszeit ist. Nur damit ich mich in Ruhe hinsetzen, und in Selbstmitleid versinken kann.

Natürlich hat sie recht, allein zu sein ist definitiv nicht immer das Schlimmste!!! Wenn ich mir so manche Familien anschaue, bin ich auch schnell wieder recht zufrieden mit unserem Familienstand. Und dennoch gibt es auch bei mir Momente, in denen ich nicht mehr alles allein machen möchte. Und so ein Moment war jetzt da.

Wo ist denn nur meine Großfamilie im Hintergrund, die da ist, wenn ich etwas brauche? Die mir mal im Haushalt unter die Arme greift? Diese Familie, die mir einfach helfen „muss“, weil es Familie ist?? Von der ich auch mal was erwarten darf, ohne gleich eine Gegenleistung dafür anbieten zu „müssen“? Ich habe Freunde, wenn auch nicht viele, und ich weiß, ich kann mich auf sie verlassen. Aber die haben alle selbst eben diese eine Familie, bei denen sie mit „Erwartungen“ konfrontiert sind.

Natürlich kann ich mal um Hilfe bitten, und das muss ich mit Olaf auch oft genug. Aber das hat einfach Grenzen. Und wegen meines gut ausgefüllten Tages- und Wochenendplanes gelingt es mir auch kaum, mich bei irgendjemandem zu revanchieren und meine Dankbarkeit zu zeigen.

So viele Kleinigkeiten im Alltag, die mir in solchen Momenten so fehlen…einfach nur ein Ritter auf dem weißen Pferd, der mal sagt: „Ich gehe einkaufen, kann ich dir was mitbringen?“ – „Du brauchst einen Bagger – ja klar, ich kümmere mich darum.“ – „Warte mal, Mathe kann ich, ich lerne mit Olaf!“ – „Ich besorg dir wen, der deinen Urwald zu einem Garten verzaubert.“ – „Komm ich schmeiß dir mal schnell € 5.000,00 rüber – hol dir ein paar Helfer!“ – etc.

Manchmal ist es aber auch nicht nur dieses „Hilfe holen“ – manchmal sind es dann auch die Konsequenzen, für die mir die Kraft, Energie und Zeit fehlt. Wenn ich um Hilfe bitte, kommen die dann am Abend, oder am Wochenende, wenn ich Kind und Haushalt auf Vordermann bringen soll. Abends muss ich doch mit Olaf was für die Schule machen und zuhören, am Wochenende einkaufen, für meine Mama sorgen, das Vereinsleben „genießen“ und den Haushalt schmeißen! Aber die Helfer möchten nach getaner Arbeit bestimmt noch ein Bier, Kaffee oder Sekt und natürlich was zu essen? Das gehört sich auch so, wenn ich Hilfe bekomme. Aber die möchten dann gar noch mit mir reden?????? Dann, wenn ich endlich Zeit für meine kleine Familie und mich hätte? Meine Gedanken drehen sich im Kreis, und ich weiß ja, theoretisch wäre alles so einfach. Dennoch fühlt sich die Theorie bei uns oft nicht ganz so praxistauglich an.

Ein paar Tage später, beim Kinderarzt treffe ich eine Bekannte, die ich schon ewig nicht mehr gesehen habe und erfahre, dass ihr Mädchen schwer krank ist. Ich höre ihrer Geschichte zu … sie hat eine großartige Familie … sie erzählt mir wie perfekt ihr Leben eigentlich wäre, mit Haus, Kindern und Mann. Aber, oh nein, ihr Kind ist krank! Sie lebt ständig in Angst – und ich weiß wieder, auf welch hohem Niveau auch ich manchmal jammere. Mein Sohn ist so was von gesund, er geht seinen Weg. Er darf in die Schule und wenn ich ehrlich bin, dann haben wir somit definitiv alles, was wir uns wünschen können. Und vor allem habe ich meinen Sohn, der mir tatsächlich jeden Tag aufs Neue zeigt, wie schön wir es haben.

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