Krank ist so eine Sache

Wenn eines meiner Kinder krank ist, dann wird es richtig schwer mit Abgeben. Aber so richtig. Ich bin hin- und hergerissen zwischen dem kranken Kind – das doch bei der Mama bleiben soll – und dem Vater – der doch das Kind auch aushalten kann, wenn es mal krank ist. Ein Zwiespalt oder wohl eher eine Schlucht. Aber wie immer: Schluchten können mir nichts. Also, ab auf die Hängebrücke.

Mein Lieblingsmädchen krank
Ziemlich bald nach der Trennung hatte ich just an dem Wochenendtag, als sie beim Papa sein sollten, beide Kinder krank. Meine Kleine hatte 40 Grad Fieber und lag wie eine gestrandete Meerjungfrau in ihrer Glitzerdecke auf der Couch. Wenn sie nicht schlief, dann röchelte sie und starrte in die Luft. Ich finde es schlimm, wenn die Kleinen krank sind. Man kann ihnen nichts abnehmen. Und ich weiß, dir geht es genau gleich. Wir Mamas haben dann das Gefühl, die Kleinen sind am allerärmsten von allen.

Während also die Meerjungfrau schlaf-röchelte, ist der robuste Prinz nicht ganz so arm dran. Immerhin mag er essen – wobei das kann er immer – und er hat nur leicht erhöhte Temperatur. Er jammert und ist eher eckig als rund. Er braucht viel Nähe und Beschäftigung. Aber gottseidank haben wir eine Hausregel: Wenn man krank ist, darf man fernsehen.

Ich sage dem Papa für diesen einen Tag ab. Er ist enttäuscht – verständlich – und meint, er könne ja auch auf die Kinder aufpassen, wenn sie krank sind. Ich – noch von der Trennung gebeutelt – schaffe das nicht. Der Kompromiss: Er kommt zwei Tage später und geht dann mit ihnen an die frische Luft für ein/zwei Stunden. Das ist okay. Ich willige ein.

Kranke Kinder bleiben bei Mama
Nun ist Herbst und es geht wieder mit allen möglichen Krankheiten los. Dieses Mal erwischt es meinen Bubi. Der hat Husten. Ziemlich wild. Und ein bisschen Temperatur hat er auch. Er ist richtig durch den Wind und isst kaum was. Und das heißt: Alarm. Er ist krank. Und das am Donnerstagabend. Morgen ist Freitag und es ist Papa-Wochenende.

Als mein armer Prinz dann endlich auf meinem Busen einschläft, überlege ich, ob ich ihn morgen dem Vater mitgeben kann. Und will.

Die eine Seite der Schlucht
Ein krankes Kind will zur Mama. Das ist so. Das ist bei mir heute noch so. Mama macht einfach die beste Haferflockensuppe, massiert mich und hört sich das Gejammer an. Und das ist die beste Medizin. Darum soll mein Bubi auch bei der Mama bleiben. Ich kann doch jeden seiner Wünsche von den Augen ablesen. Ich kann ihn doch verwöhnen wie keine andere. Ich bin doch die, mit dem großen Busen, an den er sich kuschelt zum Einschlafen. Ich kann das Kind nicht abgeben. Ich will ihn nicht abgeben. Nein. Ich bin seine MAMA.

Mit Hängebrücke auf die andere Seite
Gegenüber der Schlucht steht meine Emanze. Die Frau, die der Meinung ist, ein Mann muss auch Verantwortung tragen. Die Frau, die der Meinung ist, er soll auch mal die schlechten Tage durchstehen. Die Frau, die es hasst, dass er alle zwei Wochen einen auf Happy-Peppi-Daddy macht, während ich Job, Finanzen, Haus, Kinder und Erziehung wuppe. Ich höre sie sagen: Er ist der Vater. Der Kleine liebt ihn. Und er liebt den Kleinen. Er kann das. Gib Verantwortung auch mal ab. Was soll schon sein. Gib ihm Medizin mit und eine klare Anweisung. Der Prinz schafft das schon und sonst schreit er so lange nach dir, dass du ihn retten kommen kannst.

Mein Bubi hustet und holt mich aus der Emanzenrolle wieder in die Mutterrolle. Und dann weiß ich auch plötzlich, wie ich es machen muss. Ich schaue, dass er sich morgens gut erholt und schicke ihn nicht in die Spielgruppe. Mittags koche ich ihm Spaghetti, damit er gut isst, wenn er denn essen mag. Und dann sorge ich dafür, dass er einen langen Mittagsschlaf macht. Auf meinem Busen natürlich. Und dann geht es ihm besser und ich kann ihn ohne schlechtes Gewissen dem Papa mitgeben. Clever, oder?

Der nächste Tag kommt und mein Plan geht auf. Als es zum Abholen klingelt, ist er quietschfidel und ich weiß, dass er sich jetzt nur noch auskurieren muss. Und das kann er beim Papa. Beim Auskurieren ist er nämlich auch ziemlich anstrengend. Will bespaßt werden. Sucht viel Nähe. Nachts schläft er schlecht. Und das ist dem Vater allemal zuzumuten.

Und? Beim nächsten Mal?
Ob ich ihm die Kinder mitgeben kann, wenn sie ernsthaft krank sind, weiß ich noch nicht. Mal heute nicht. Ich bin auch nicht perfekt. Das werden mein Mutter-Ich und mein Emanzen-Ich noch auf der Hängebrücke ausdiskutieren müssen. Aber wenn ich was gelernt habe in den letzten Monaten, dann, dass es immer eine Lösung gibt. Sie ist nicht immer gleich sichtbar, aber es wird schon. Da bin ich mir sicher.

Weil wir Mamas alles schaffen.
Deine Sandra

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