Der Rucksack der Kinder
Die Gigagampfa Gruppe ist ein Angebot vom Ehe- und Familienzentrum und bietet Kindern aus Trennungssituationen einen wertfreien Raum. In Kleingruppen treffen sie sich zehn Nachmittage begleitet von PädagogInnen. Ziel: Ein Austausch. Ein Aufarbeiten. Ein, das machen wir zusammen. Meine Große ist seit März dabei und sie liebt es.
Es beschäftigt sie doch
Mein Lieblingsmädchen ist jetzt fünf Jahre alt. Magisch das Alter. Magisch die Fantasie. Und magisch, wie schnell sie groß wird. Dinge hinterfragt. Lernt, Konsequenzen zu tragen. Lügen und Gemeinheiten einzuordnen. Richtig von Falsch zu unterscheiden. Eine herausfordernde Zeit. Aber welche Zeit ist das nicht?
Auch das Thema Papa und Trennung kommt immer öfter als Frage, als Diskussion oder einfach nur als Erzählung. Und was ich merke, sie geht damit auch auf andere Menschen los. Sie fragt nach. Sie erzählt. Sie stellt fest. Als ich dann höre, wie sie mit ihren Barbies die Trennung nach spielt, da bin ich dann doch unsicher geworden. Darum habe ich sie zur Gigagampfa-Gruppe angemeldet.
Ich wollte doch ohne Rucksack
Einer der Hauptgründe, warum ich mich getrennt habe, war der, meinen Kindern den Rucksack nicht mit einer unglücklichen Beziehung zu füllen. Ich stelle mir immer vor, was sie mich fragen, wenn sie mal 15 Jahre alt sind. Die Frage, warum bist du bei Papa geblieben, er liebt dich ja gar nicht, hätte ich dann ehrlich mit „Ich bin wegen euch geblieben.“ beantworten müssen. Das will ich nicht. „Das gute alte Muster“ und der „Sturzflug Hoffnung“ sind meine Themen. Und das gehört nicht in ihren Rucksack, sondern in meinen. Das ist meine Verantwortung.
Also Hilfe holen
In der Gigagampfa Gruppe fühlt sich meine Maus sehr wohl und sie geht wahnsinnig gerne. Gottseidank. Sind doch neue Kinder und eine neue Pädagogin. Aber ich habe ihr erklärt, dass dort Kinder sind, bei denen Mama und Papa auch nicht mehr zusammen wohnen. Das fand sie gut. Gleichgesinnte.
Letztens kam sie heim und erzählte mir, dass sie die Wahl zwischen zwei Rucksäcken hatte. Einer gefüllt und schwer. Der andere leicht und leer. Ihre Pädagogin hat sie aufgefordert, zu wählen: Den schweren Rucksack, wenn sie es nicht okay findet, dass Mama und Papa nicht mehr zusammen leben. Der leichte Rucksack hingegen, wenn sie es okay findet, dass ihre Eltern getrennt sind. Sie hat sich für den schweren Rucksack entschieden.
Als sie mir das erzählt, wurde ich auch ganz schwer. Ich habe sie fest in die Arme genommen und nichts gesagt. Ich habe es einfach stehen lassen. Was soll ich auch sagen? Sie hat Recht: Es ist schwer. Für uns alle.
Doch ein Rucksack zu tragen
Das Gespräch hat mich noch lange beschäftigt. Ich habe ein schlechtes Gewissen. Jetzt muss sie doch mit ihren fünf Jahren einen Rucksack tragen. Jetzt bürde ich ihr doch die Trennung auf, obwohl ich dachte, das wäre das kleinere Übel. Ich spüre plötzlich wieder meinen eigenen Rucksack deutlich.
Auf dem Boden der Tatsachen liegt eindeutig zu wenig Glitzer
Meine Mama hilft mir, wie immer: „Jeder Mensch trägt seinen Rucksack. Manche füllen sich schneller. Manche langsamer. Aber alle füllen sich. Du hast mit der Trennung dafür gesorgt, dass der Rucksack der Kinder sich langsamer füllt. Das ist gut so. Wenn du nicht gegangen wärst, hättest du gar nicht gemerkt, wie er sich füllt mit unausgesprochenen Erwartungen, Spannungen und Schuld. Jetzt bei Gigagampfa wird’s nur sichtbar, weil es angesprochen wird. Das ist das Beste, was du tun kannst.“
Die Erklärung macht es mir wieder leichter. Mama hat Recht. Zu wissen, was in dem Rucksack ist, macht es einfacher, ihn zu tragen. Absolut. Also, wenn dein Kind auch mal wurstelt, Fragen hat oder sich so ganz allein fühlt als Trennungskind: Schaut euch das Angebot vom Ehe- und Familienzentrum an. Hilfe holen lohnt sich. Immer.
Weil wir Alleinerziehenden alles schaffen.
Deine Sandra